Veröffentlicht: 14. Januar 2025
Lebendige Seminare bedeuten, dass die Teilnehmer möglichst aktiv mit einbezogen werden – und das trifft noch verstärkter auf das Online-Seminar zu. Bei vielen Online-Seminaren, die ich als Teilnehmerin besucht habe, beschränkt sich die Einbeziehung der Teilnehmenden nur auf den Chat, und das auch immer nur auf die gleiche Weise.
Dabei gibt es so viele unterschiedliche Arten, wie du den Chat einsetzen kannst.
Einige möchte ich hier vorstellen, wobei ich mit den simpelsten Formen beginne und die Komplexität allmählich steigere.
Grundsätzlich möchte ich aber vorweg deutlich machen:
Für die Interaktion mit den Teilnehmenden gibt es noch sehr viel mehr Möglichkeiten als nur den Chat. Es gibt unendlich viele Methoden, die weit über eine bloße Chat-Nutzung hinausgehen, und dazu wirst du weitere Beiträge hier im Blog finden.
Das bedeutet nicht, dass du den Chat gar nicht nutzen sollst.
Doch eben nur als eine von vielen methodischen Möglichkeiten, im Wechsel mit anderen Tools und Methoden.
Und wenn du ihn nutzt, dann eben auch auf unterschiedliche Art.
Dazu gebe ich dir Anregungen in diesem Beitrag.
Der Vorteil vom Chat vorweg: Du kannst im Chat auch mit sehr großen Gruppen arbeiten, was bei vielen anderen Methoden nicht so gut möglich ist, wo die Teilnehmenden sprechen oder auf dem Whiteboard schreiben. Das geht meist nur mit einer überschaubaren Zahl.
Oft erlebt im Online-Seminar: Erst Vortrag – und dann Fragen im Chat beantworten
In vielen Online-Seminaren erlebe ich, dass der Trainer erst einmal einen langen Vortrag hält, je nachdem mit Folien oder mit Webcam-Bild des Vortragenden. Und dazu die Aufforderung, dass die Teilnehmenden ihre Fragen in den Chat schreiben sollen und er am Ende dann darauf eingeht.
Daher gebe ich hier mal eine Übersicht, was man wie mit dem Chat machen kann.
Kleiner Exkurs: Den Austausch im Chat verbieten
Ich habe einen Trainer erlebt, der gleich zu Anfang die Teilnehmer bat, jegliche persönlichen Unterhaltungen im Chat zu unterlassen, da (ihn) das ablenkt und nur dann dort zu schreiben, wenn er dazu auffordert.
Dazu zwei Dinge:
Es lag auch sicher an der Art, wie er das sagte, dass ich mir vorkam wie in der Schule und sofort in den Trotzmodus schaltete und erst Recht mit einem Kollegen rumalberte, den ich da wieder traf.
Ich verstehe es gut, wenn man nicht gleichzeitig vortragen und den Chat im Auge behalten kann. Dazu gebe ich später noch Tipps.
Gleichzeitig unterband der Kollege damit aber auch eine wichtige Möglichkeit, die Online-Seminare interessanter und lebendiger macht.
1. In meinen Online-Seminaren fördere ich bewusst durch Einstiegsmethoden, dass die Teilnehmenden auch untereinander in Kontakt kommen und sich austauschen. Denn dann ist eine inhaltliche Arbeit sehr viel effektiver, weil die Teilnehmenden offener sind, wenn sie sich ein wenig kennen. (Wenn es allerdings bei einem reinen Vortrag bleibt, findet natürlich auch keine gemeinsame inhaltliche Arbeit zu konkreten Themen statt).
2. Ich habe bei solchen einseitigen Vortrags-Veranstaltungen oft erlebt, dass Teilnehmende zu dem Vortrag Fragen hatten, etwas so schnell nicht mitbekommen haben – und andere Teilnehmer dann einsprangen und ihnen halfen. Da ist es ja blöd, wenn ich als Trainer solche Kommunikation verbiete und quasi meine kostenlosen Co-Trainer vor die Tür setze.
Das war jetzt nur ein kleiner Exkurs.
Es gibt noch mehr Kommunikationsformen als nur den Chat
In meinen Online-Seminaren ist die Teilnehmer-Kommunikation nie nur auf den Chat begrenzt. Die Teilnehmenden können immer auch sprechen und wir arbeiten gemeinsam am Whiteboard und auf Folien.
Trotzdem setze ich natürlich auch den Chat ein- aber nicht als einzigen Kommunikationskanal für die Teilnehmenden, wie viele Webinardurchführende das machen.
Wenn man sich aber nur auf den Chat beschränkt, ist es umso wichtiger, dort auf unterschiedliche Weise zu arbeiten.
Nutzungsmöglichkeiten des Chat im Online-Seminar
Ich fange mit den ödesten und gruseligsten Varianten an und steigere mich dann zunehmend :-).
1. Trainer hält Vortrag, Chat ist abgestellt und wird eventuell punktuell frei geschaltet
Das gibt es tatsächlich, dass Teilnehmer gar nicht in den Chat schreiben können. Der wird dann nur bei konkreten Fragen freigeschaltet, dann können die Teilnehmer dort ihre Fragen stellen oder auf Fragen antworten. Je nach Aufgabe.
Das ist für den Trainer natürlich sehr beruhigend, er kann sich ganz auf seinen Vortrag konzentrieren. Er bekommt so aber überhaupt nicht mit, ob die Teilnehmer ihm folgen können, ob es Fragen oder womöglich sogar Probleme gibt. Ich persönlich finde das eher befremdlich und reglementierend. Wobei die Teilnehmenden ja meist erwachsene Menschen sind, die freiwillig dabei sind und nicht in einer Schule der 50er Jahre!
2. Trainer hält Vortrag, Teilnehmer sollen Fragen in den Chat schreiben
Dazu gibt es dann oft eben den Hinweis, dass am Ende auf die Fragen eingegangen wird.
Da gehen dann aber doch oft etliche Fragen verloren, wenn es eine große Teilnehmerzahl ist, die sich womöglich zwischendurch auch noch kreuz und quer unterhalten. Was kein Wunder ist, wenn der Trainer nur einen Vortrag hält und die Teilnehmer nicht mit einbezieht.
Es ist zudem auch für die anderen Teilnehmer anstrengend und langweilig, dann die ganzen Fragen durchzugehen. Die in der Regel auch nicht thematisch gebündelt werden, sondern nacheinander abgeklappert werden.
3. Trainer fordert die Teilnehmer auf, auf Fragen zu antworten
Hier nun einige Varianten und Beispiele, wie du auch bei einer großen Teilnehmerzahl die Teilnehmer mit gezielten Fragen und Chat-Antworten einbinden kannst.
Varianten von Chat-Fragen
Ja – Nein Fragen
Das ist auch bei einer großen Teilnehmerzahl möglich.
Du stellst eine Frage: „Wer hat schon mal selbst Online-Seminare gegeben?“ und bittest die Teilnehmenden in den Chat „Ja“ oder „Nein“ zu schreiben. Es kann auch einfach ein j oder n sein. Das geht schnell und auch bei 50 Teilnehmern bekommst du einen flotten Überblick…
Beispiel: Frage: Wer kennt die Mind Map® Methode?
Antworten im Chat: Ja- Nein
Zahlen
Du hast 3 Punkte auf einer Folie stehen und fragst die Teilnehmer dazu. Sei es, dass die Teilnehmer auswählen können, welches Thema du im Online-Seminar ausführlicher behandeln sollst oder etwas völlig Anderes.
Du kannst so auch Erfahrungen oder Meinungen abfragen.
Die Teilnehmer schreiben lediglich die Zahl in den Chat. Auch da behältst du bei einer großen Gruppe die Übersicht – und auch die anderen bekommen mit, was Sache ist.
Beispiel: Die bei der Mind Map® Methode mit Ja geantwortet haben, sollen folgende Zahlen in den Chat schreiben. Ich habe mal dazu gemacht:
- Mal was darüber gelesen
- Eine Fortbildung dazu gemacht
- Ich wende sie schon an.
Worte
Etwas weiter geht es schon, wenn du den Teilnehmern die Möglichkeit gibst, Worte zu schreiben.
Welches Thema interessiert dich besonders?
Welches Seminarthema bietest du an?
Welches Marketing-Tool ist für dich das effektivste? usw.
Du kannst dann nicht unbedingt alle 100 Wörter vorlesen. Du kannst aber einige rauspicken und das entsprechend erläutern. Das erfordert natürlich schnelles Erfassen und eine gute Moderationsfähigkeit.
„Ah ja, da sind viele Antworten, die zu dem Thema XY passen und auch einige zu XZ.“
Sätze
Jeder stellt seinen Slogan vor. Seinen Buchtitel. Einen Satz zu…
Auch hier: je nach TN-Zahl kannst du nicht alle vorlesen, aber einige Beispiele und darauf eingehen.
(Sag dann auch vorher: Ich kann jetzt leider nicht alle vorlesen und auf alle eingehen, ich picke mir nun willkürlich 3-5 raus).
Dann sind alle voll bei der Sache und aufmerksam.
Weitergehende Beiträge im Chat
Wenn du aber eine kleinere Gruppe hast und mit Teilnehmern tiefer an einem Thema arbeiten willst, dann musst du ihnen da auch mehr Raum geben.
Selbst bei großen Webinaren habe ich das auch schon erlebt, dass die Trainer dazu aufforderten. Sie hatten vorher beispielsweise eine Übung mit uns gemacht, die wir für uns alleine schriftlich durchgeführt haben, parallel zum Online-Seminar. Und anschließend konnten wir dann dazu Beispiele und Fragen in den Chat schreiben.
Dann kannst du als Trainer anschließend hingehen und auf die einzelnen Punkte eingehen.
Interaktive kreative Methoden im Chat
Verschiedene Chateinstellungen im Online-Seminar
Vorweg: Es gibt bei manchen Webinarplattformen die Möglichkeit, unterschiedliche Formen im Chat einzustellen.
- Die Teilnehmern können öffentlich an alle schreiben (so wie es normalerweise ist)
- Die Teilnehmer können gezielt nur an den Trainer schreiben (und er kann auch individuell antworten), so dass die anderen es nicht lesen können.
- Die Teilnehmer können untereinander gezielt mit einzelnen anderen Teilnehmern schreiben, ohne dass die anderen inklusive Trainer das sehen.
Und auch da erlebte ich bei einer Akademie, für die ich gearbeitet habe, dass sie ihren Trainern verbot, diesen Privatchat zu ermöglichen. Weil die Teilnehmer dann miteinander Unsinn treiben.
Abgesehen davon, dass ich erwachsene Teilnehmer habe, die ich nicht gängeln will, vertut man so eine wunderbare methodische Möglichkeit.
Hier einige Beispiele, wie ich den Chat für kreative Methoden nutzen kann. Ich werde nicht alle Methoden hier ausführlich darstellen, aber einige als Beispiel.
Sprachspiele
Sprachspiel: Sätze bilden
Zur Methode: Eine kreative Schreibübung, als Energizer möglich, aber auch in Verbindung mit einem Thema.
Ziel: Kreative Pause, Teilnehmer-Aktivierung.
Verlauf: Die Online-Seminar-Teilnehmer sollen im Chat Sätze bilden, indem jeder ein Wort schreibt.
Teilnehmer A beginnt mit einem Wort, B schreibt das zweite Wort usw.
Die Reihenfolge sollte klar sein: entweder durch die Teilnehmerliste oder du hast eine Folie vorbereitet, auf der die Reihenfolge deutlich wird.
Wenn jemand meint, der Satz sei zu Ende, setzt er einen Punkt.
Du kannst es ganz offen lassen, welche Sätze gebildet werden – und das kann oft sehr lustig sein, weil plötzlich völlig abstruse Themen auftauchen.
Du kannst aber auch ein (Fach-) Thema vorgeben, mit dem der Satz zu tun haben soll. Beispielsweise Thema „Online-Seminare“.
Dann könnte so ein Satz entstehen.
Online-Seminare – sind – manchmal – ziemlich – aufregend, wenn – die- Trainerin – gar – nicht – dabei – ist…
Auswertung: Bei der Methode ist es lustig, eine kurze Auswertung zu machen und nachzufragen, wie es den Teilnehmenden dabei ging.
Es ist nämlich oft so, dass die Schreibenden einen bestimmten Satz im Kopf haben und dann völlig frustriert sind, wenn der nächste den Satz völlig anders weiterführt oder geradezu das Gegenteil schreibt.
Das kann man gut als Reflexionsthema nehmen, wie unterschiedlich das jeder empfunden hat.
Variante: Du kannst die Übung auch mündlich durchführen, so dass jeder reihum ein Wort sagt. Das ist natürlich noch etwas schwieriger, sich alle Vorwörter zu merken.
Sprachspiel: Wortketten
Die Teilnehmer sollen Wortketten bilden aus zusammengesetzten Wörtern. Einer beginnt und schreibt beispielsweise in den Chat: Baum-Haus, der nächste Haus-Tür, dann Tür-Schloss, Schloss-Geist usw.
Umfragen
Beispiel: Welche Erfahrungen hast du mit….?
Was ist deine Meinung zu…?
Wer war schon mal in der Sahara?
Wer mag….?
Entsprechend der Fragestellung sind die Antworten unterschiedlich ausführlich.
Wiederholungsübungen
Eine meiner liebsten Wiederholungsübungen (auch in Präsenzseminaren) ist die Perlenkette. Da geht es um Abläufe und Reihenfolgen von Prozessen oder Arbeitsschritten oder…
Beispiel:
Welche Schritte müssen du in welcher Reihenfolge tun, wenn du…(Spaghetti kochen willst, ein Word-Dokument abspeichern, einen Projektplan erstellen, eine Bestellung aufnehmen, ein Bewerbungsschreiben verfassen…)?
Die Reihenfolge der Teilnehmer muss klar sein. Entweder nach Teilnehmerliste oder du bereitest ein Mind Map oder eine andere Visualisierung mit den Namen der Teilnehmer vor.
Der 1. Teilnehmer schreibt den 1. Schritt („Ich hole den Topf aus dem Schrank“), der 2. Teilnehmer den 2. Schritt usw.
Du kannst verschiedene Regeln verabreden.
Beispielsweise in der 1. Runde nicht eingreifen (auch wenn etwas nicht ganz stimmt), sondern es einmal durchlaufen lassen.
Transfer
Du kannst dazu eine konkrete Fragestellung geben, wie beispielsweise:
Was ist dein 1. Schritt nach dem Online-Seminar, um …xy… umzusetzen?
Oder du nutzt eine anspruchsvollere Variante, die ich dann aber auf dem Whiteboard durchführen würde und nicht unbedingt im Chat.
Das sollte als erste Anregungen reichen. Es gibt natürlich unendlich viel mehr an Spielen und Methoden, bei denen man den Chat hinzuziehen kann.
Dieser Beitrag hat dir aber sicher einen ausreichenden Eindruck davon vermittelt, was alles möglich ist außer nur zu sagen:
Schreibt eure Fragen in den Chat und ich antworte am Ende des Seminars darauf. Oder?